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Zwischen Festland und Insel - Reisebericht #1

Autorenbild: Sebastian MeyerSebastian Meyer

Aktualisiert: 26. Dez. 2022

Rund um die Welt... seit 4 Wochen lebe ich meinen Traum von einer Weltreise. Nachdem ich mein Motorrad ordentlich abgespeckt hatte, ging es als erstes nach England bevor die Reise in Richtung Osten nach Indien führte.

Start Pobershau Marienberg Motorrad Weltreise
Am 04.04.2022 war es für mich soweit. Mit einem viel zu schwer beladenen Motorrad brach ich auf.

204 kg Trockengewicht, 75 PS, 2 Zylinder, 16 Liter Benzin und 2,6 Liter Motorenöl sind es also, die mich um die Welt tragen sollen. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass es in Europa weitaus schwieriger ist, auf große Abenteuer zu stoßen: Das Straßennetz ist zu gut, die Tankstellen zu zahlreich und die Hotels und Hostels sind immer verfügbar. Supermärkte laden in jedem Land und zu jeder Zeit dazu ein, den knurrenden, vom Tage gezerrten Magen zu stillen und auf menschenleere Gebiete trifft man gar nicht. Darum stand die erste Woche für mich ganz im Zeichen weniger Ziele: Mich mit dem Leben auf der Straße anfreunden, die Ausrüstung ein letztes Mal auf Herz und Nieren prüfen und auch einfach unnötigen Ballast loswerden, weswegen es mich als erstes in eine kleines Örtchen nahe Kassel führte zu meinem Kumpel Christian, mit einem kleinen Zwischenstopp in Quedlinburg. Er selbst war vor ein paar Jahren mit seiner BMW GS um die Welt gefahren und ist damit der perfekte Ansprechpartner, wenn es um Gepäck und Equipment geht. Ich hatte bereits zur Abfahrt festgestellt, dass mein Motorrad definitiv an Gewicht verlieren muss. Man versucht, für alles vorbereitet zu sein, doch man muss auf so einer Reise ganz schlicht und ergreifend der Tatsache ins Auge blicken, dass das nicht geht. Man hat damit klarzukommen, dass man eben öfters keine perfekt frischen Klamotten an hat, auch mal vor Probleme gestellt wird, die man eben nicht sofort lösen kann oder eben auf die Hilfe von Passanten und Einheimischen angewiesen ist. Ich klagte Christian direkt mein Leid, dass das Motorrad wie ein eiserner Amboss fährt und ich das Gefühl habe, ich würde ein knarrendes Segelschiff durch wilde See steuern. Er feixte und nippte an seinem Bier, mit einem hämischen Grinsen im Gesicht, weil er genau wusste, was ich meinte.

„Man versucht immer für alles vorbereitet zu sein, aber man muss einfach einsehen, dass man das auf so einer Reise nicht kann."

Ihm entging nichts an Mensch, Maschine und Material. Sein kritischer Blick durchlöcherte meine Ausrüstung, als wäre sie ein Schweizer Käse. Dinge wie ein Sitzkissen und viel zu viele Klamotten fanden direkt den Weg in die „Heimatkiste“. Alles konnte er mir dann aber doch nicht abnehmen. Was mit muss, muss eben mit, und dazu gehört auch mein viel zu sperriger, viel zu großer Camping Klappstuhl, der es selbst bei gutem Wetter allenfalls 15 Minuten ans Tageslicht schafft. Vermutlich werde ich dieses Stück unnötige Gepäck eines Tages einem einsamen Mongolen schenken. Die 10 Kilogramm die mein Motorrad an diesem Tag verlor, sind auf dem Weg nach Hause ins Erzgebirge, und für mich ging es am nächsten Tag weiter in Richtung meines ersten großen Zieles: Stonehenge.

Christian teilt seine Erfahrungen mit mir.
Christian teilt seine Erfahrungen mit mir. Alles was nicht wirklich gebraucht wurde, landete in einer Kiste nach Hause.

England ist ein Land, welches mich schon immer fasziniert hat. Schon als ich die ersten Meter auf dem kaputten, von viel zu viel Verkehr gequältem Asphalt, zurücklegte, fühlte ich mich komplett anders als in Frankreich, und das lag nicht nur am gewöhnungsbedürftigen Linksverkehr. Man kann die Tradition, die Geschichte und auch irgendwie den Mythos hier beinahe schmecken. Egal ob Landschaft oder Architektur, alles scheint aus Stein gemeißelt zu sein. Präzise, schön und auch irgendwie verträumt. Die vielen mittelalterlichen Klöster, Burgen und Schlösser tun ihr übriges. Hinter jeder Ecke versteckt sich eine Kirche oder ein jahrhundertealtes Haus, was wahrlich ein Postkartenmotiv verdient hätte. 200 km legte ich am ersten Tag „in the UK“ noch in Richtung Salisbury, der Stadt zu welcher Stonehenge gehört, zurück, bevor ich mir in Fareham ein kleines Hotel suchte und dort die Nacht verbrachte. Bei der Einfahrt in den Hinterhof weckte ich mit meiner Yamaha sofort das Interesse einer Bikergang, die vorm Eingang der hauseigenen Bar im Dunst ihrer qualmenden Zigaretten stand. Voller Selbstbewusstsein stürzte ich auf die Tür des Hotels zu, nur um direkt abgefangen zu werden. Mit freundlicher aber doch ernster Stimme fragten sie mich, wo ich denn herkomme und was ich vorhabe. Nachdem ich ihnen mit meinem stark deutsch-akzentuierten Englisch erklärte, was mein Plan ist, wünschten sie mir alles Gute und verschwanden über die knarrenden Stufen zurück in die Bar.

Bei der Einfahrt in den Hinterhof weckte ich mit meiner Yamaha sofort das Interesse einer Bikergang."

Stonehenge hatte etwas magisches. Es ist einfach etwas, wovon jeder schon einmal gehört hat, aber wirklich dort war fast niemand. Es ist unglaublich beeindruckend. Jetzt wo ich die Ausmaße und auch die Größe mit eigenen Augen gesehen habe, ist es mir absolut unbegreiflich, wie die Menschen vor über 4000 Jahren diese tonnenschweren Steine so aufgestellt haben sollen. Die Einheimischen hier erzählten mir, der Steinkreis als solches hätte vermutlich etwas mit der Anbetung der Sonne zutun, aber so richtig weiß das hier auch keiner. Es wird wohl für immer ein Rätsel bleiben, was der wahre Sinn und Zweck von Stonehenge damals tatsächlich war. Eine Reise zu unternehmen ist das eine, die Menschen die man auf seinem Weg kennenlernt das andere. Rob Andrews war ein total motorradverrückter Brite, der von meiner ganzen Aktion und meiner Weltreise im Internet erfuhr und mich direkt zu sich nach Hause eingeladen hatte. Schon nach den ersten 5 Minuten merkten wir, hier haben sich definitiv zwei mit der gleichen Leidenschaft gefunden. Wir schlenderten in einen kleinen Pub und bevor ich mich versah, trank ich mit 3 Briten Bier. Es wurde Schnapps verteilt und der Abend ging lang, bevor es mich doch etwas angetrunken ins Bett drehte. Rob und seine Frau Donna kümmerten sich bestens um das leibliche Wohl. Mir wurde ein kleines Lunchpaket geschnürt und mit nichts als den besten Wünschen von beiden im Gepäck trat ich meine Reise nach Canterbury an, von wo es mich zurück nach Frankreich führte.

Britische Bar mit Freunden in England Salisbury
Meine britischen Freunde, der Abend ging lang, das Bier schmeckte und die Nacht war... kurz ;-)

Nicht weit von Calais entfernt findet man zwei weitere Sehenswürdigkeiten, den Omaha Beach in der Normandie, der Landestrand der Alliierten im zweiten Weltkrieg und Le Mont St. Michel, noch etwa 200 km weiter. Die Tatsache zu wissen, was am Omaha Beach vor knapp 80 Jahren passiert ist, erzeugte eine äußerst merkwürdige Atmosphäre. Das Mahnmal, welches dort steht, macht seinem Namen definitiv Ehre. Mein Highlight in Frankreich war allerdings „Le Mont St. Michel“. Wie aus einem Computerspiel entnommen, thront die kleine Gemeinde mitten im Ozean vor der französischen Küste wie aus einer Märchengeschichte. Ich habe komplett unterschätzt, wie groß Frankreich ist. Als ich Zuhause in meiner Garage die große Weltkarte an die Korkwand pinnte, habe ich dabei komplett den Maßstab für alles aus den Augen verloren. Als ich 100 km von Calais entfernt auf meinen GPS Standort schaute, und mit erstaunen feststellen musste das sich mein kleiner blauer Punkt kaum bewegt hatte, änderte ich ernsthaft meine Meinung darüber, wie groß unsere Welt eigentlich ist, und das bereits in unserem Nachbarland. Als ich am Omaha Beach stand, ergriff mich ein merkwürdiges Gefühl, als ich dem imposanten steinernen Mahnmal gegenüberstand, das künftige Generationen an das, was dort passiert ist, erinnern soll.

"Man kann sich einem gewissen Respekt an diesem Ort nicht entziehen"

Es war ekelhaftes Wetter, es hatte die ganze Zeit geregnet, kaum mehr als 5 Grad zeigte das Thermometer und ein eisiger Wind schnitt mir durchs Gesicht wie eine eiserne Lanze. Der Duft von Regen lag in der Luft, als ich mich halb erfroren aus meinen Handschuhen schälte, um die einzigen paar Minuten abzupassen, in welchem es nicht schüttete. Man kann sich einem gewissen Respekt an diesem Ort nicht entziehen, als würde sich ein kalter, grauer Schleier um die Gedanken legen, der dir bildlich vor deinem geistigen Auge zeigt, wie tausende Soldaten aus dem Meer steigen und durch ohrenbetäubende Gewehrsalven den Tod fanden. Nur etwa 200 km vom Omaha Beach entfernt liegt „Le Mont St Michel“ - eine kleine Gemeinde mit nur 29 Einwohnern, die aber von jährlich knapp 3 Millionen Menschen besucht wird. Das ehemalige Benediktiner Kloster thront majestätisch im Wattenmeer und ist etwa ein Kilometer vom Festland entfernt. Es sieht aus, als hätte es eine unsichtbare Hand dort einfach abgesetzt. Es wirkt komplett surreal und passt absolut nicht in das restliche Landschaftsbild in diesem Teil Frankreichs, was es umso sehenswerter macht. Wer allerdings selbst dahin möchte, sollte vorher daran denken, unbedingt ein Hotelzimmer oder einen Tisch in einem Restaurant zu reservieren, denn man kommt nur direkt mit dem eigenen Fahrzeug heran, wenn man einen Code für mehrere Schranken hat. Für alle anderen heißt es: Parkplatz und danach wird 3 Kilometer gelaufen.

Le Mont Saint Michael in Frankreich
Le Mont Saint Michael in Frankreich. Bis heute eines der beeindruckensten Bauwerke die ich je gesehen habe.

Mick und seine Frau Julie, zwei Briten die mitten im französischen nirgendwo ein kleines Bed & Breakfast namens „Belongamick“ führen, in einem Dorf, was quasi komplett ihnen gehört, weil es nur 5 Häuser umfasst, hatten ebenfalls von meiner Aktion über das Internet erfahren und mich direkt zu sich eingeladen. Mick, ein Mann mit tätowierten Armen und grau, silbernem Haar welches ihm lässig über die Schulter liegt, war mir sofort sympathisch. Er ist ein Biker durch und durch, hat zwei große Maschinen in der Scheune stehen, war drei Monate in den USA, hat alle 50 Bundesstaaten bereist und selbst einen Motorradclub gegründet. Ein Mann mit deutlich mehr Lebenserfahrung als ich. Daher war ich ihm äußerst dankbar für die Tipps und auch die Weisheiten, die er mir mit auf den Weg gegeben hat. Ich weiß nicht genau, was es war, was mich direkt eingefangen hat, aber ich fühlte mich sofort heimisch und willkommen. Der verträumte französische Landhausstil in Kombination mit britischem Flair ist einmalig und habe ich so auch noch nie erlebt, die selbstgebaute Bar von Mick und das köstliche Essen von Julie tun ihr übriges. Ich hatte eine wunderbare Zeit hier und werde eines Tages definitiv dahin zurückkehren. Mich erfüllte eine gewisse Traurigkeit diesen Ort so schnell verlassen zu müssen, als ich am nächsten Tag mein Motorrad erneut belud und den Weg in Richtung Slowenien antrat, wo ich meinen Vater zum Osterfest traf.

Panorama in Österreich - auf dem Weg nach Slowenien

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