Ikone seit den 80er Jahren. Mit der Tenere brachte Yamaha ein Motorrad auf den Markt was seit Jahrzehnten in der Szene seinen Namen hat. Kann das neueste Modell an den legendären Status der Vergangenheit anknüpfen?
Ende 2021 habe ich begonnen, meine Weltreise mit dem Motorrad zu planen. Man kommt während der Vorbereitung nicht drum herum sich zu fragen was das „ideale“ Motorrad dafür ist. Es muss gewichtstechnisch im Rahmen liegen, sollte zuverlässig sein und keine ausschweifende Elektronik besitzen. Ich wollte ein modernes Motorrad, mit moderner Abstimmung und modernem Fahrwerk ohne die übliche Flut von elektronischen Helfern – meine Wahl fiel also sehr schnell auf die Tenere 700 Rally Edition. Habe ich es bereut?
Legende der Vergangenheit - und heute?
Die Yamaha Tenere steht wohl wie kein anderes Motorrad für Abenteuergeist und Zuverlässigkeit. Seit der Markteinführung 1983 hat sie sich bis heute gehalten und wurde mit der Tenere 700 seit 2018 erneut zu einem Bestseller im Adventure Sektor, und das obwohl sie keinerlei technischen Fahrhilfen oder Modi besitzt wie Bikes in ähnlichem Umfeld wie die Honda Africa Twin oder auch die Konkurrenz von BMW und Triumph. Sie spricht ganz klar eine komplett andere Zielgruppe an, nämlich den Fahrer, der einfach nur ein Motorrad haben möchte ohne viel elektronischen „Schnickschnack“. Mittlerweile bin ich damit über 32.000 Kilometer von Deutschland über den Iran und Pakistan bis nach Indien gefahren, habe bei 50°C Wüsten durchquert und bin auf den höchsten Pass der Welt mit 5400 Metern gefahren und kann daher eine ausführliche Einschätzung aus erster Hand und aus meiner praxisnahen Erfahrung geben.
Zehntausende Kilometer später - wie hat sie sich gehalten?
Grundlegend lässt sich sagen, dass ich noch nie ein zuverlässigeres Motorrad hatte. Die Maschine läuft perfekt in jeglichen Lagen und lässt einen nicht im Stich. Das Fahrwerk ist von Werk aus perfekt abgestimmt und bietet einen hervorragenden Kompromiss aus Offroadtauglichkeit sowie Komfort. Nachbesserung durch Drittanbieter absolut nicht zwingend nötig. Die Balance der Maschine und das Fahrgefühl ist atemberaubend und auch längere Etappen von über 600 Kilometer kann man problemlos bestreiten, da gerade der Sitz der Rally Edition die perfekte Kombination aus Härte und Komfort besitzt. Mit knapp 90 Zentimetern Sitzhöhe ist dementsprechend der Kniewinkel sehr angenehm was für mich mit knapp 1,80m Körpergröße äußerst angenehm ist. Die letzten Wochen und Monate bin ich nicht zimperlich mit meiner Tenere umgegangen, selbst harte Offroadpassagen über Stunden auf über 4500 Meter hohen Hochebenen waren kein Problem. Ab ca. 5000 Meter Passhöhe merkt man allerdings einen deutlichen Leistungsverlust.
Selbst mit dreckigem, verunreinigten Sprit hat die Tenere keinerlei Probleme und lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Die Qualität der Verkleidungsteile sowie die allgemeine Verarbeitungsqualität sind typisch Yamaha auf einem sehr hohen Niveau. Ich habe meine Maschine mittlerweile etwa 15x auf die Seite gelegt, hatte 3 Unfälle mit moderaten Geschwindigkeiten und bis zum heutigen Tage ist nichts ernsthaft kaputtgegangen. Ein paar Kratzer hier und dort, aber nichts was ein Hammer und etwas Kabelbinder nicht hätte lösen können. Auch die Motorisierung und die damit verbundenen 75 PS sind mehr als ausreichend. Mehr sind in meinen Augen auch absolut nicht nötig.
Wo Licht ist, ist auch Schatten - Die Nachteile
Das perfekte Motorrad gibt es allerdings nicht, und daher gibt es auch meinerseits Kritik an der Tenere. Der größte Knackpunkt in meinen Augen ist, dass der Tank mit 16 Litern Inhalt deutlich zu klein ist. Mit einem 100kg Fahrer sowie 50kg Gepäck schafft man pro Tankfüllung in etwa 350 Kilometer, was gerade für eine Weltreise einfach nicht genug ist. Im Zubehör gibt es allerdings mittlerweile Tanks zu kaufen die deutlich mehr Volumen besitzen. Man kann dieses Problem natürlich auch wie ich lösen, und schnallt sich einfach einen 5 Liter Kanister an die Gepäckhalterungen. Außerdem sind meiner Meinung nach die Scheinwerfer der Tenere deutlich zu schwach, was einem besonders Nachts in schlechter Witterung auffällt. Ich gehe soweit und sage sie sind komplett nutzlos, was einfach nicht hätte passieren dürfen. Hier empfehle ich definitiv selbst nachzubessern und sich hochwertige Scheinwerfer zu kaufen.
Leider ist auch die Hinterradbremse deutlich zu schwach ausgelegt, gerade wenn man voll beladen unterwegs ist. Ich persönlich Bremse gern vor Kurven leicht mit dem Fuß an, was quasi zur sofortigen Überhitzung der Bremse führt und man findet sich schnell dabei wieder, mit dem Fuß ins Leere zu treten. Hier gibt es definitiv Verbesserungsbedarf. Ebenfalls sollte man im Kopf behalten, dass besonders die Rally Edition mit einer Sitzhöhe von knapp 90 Zentimetern durchaus ein „Zwergentod“ ist. Ich mit meinen knapp 1,80 Meter Körpergröße komme gerade so mit beiden Füßen auf den Boden, je nach Stand im Gelände teilweise auch nur mit einem Bein. Ich persönlich würde die Maschine daher nicht empfehlen für Fahrer unter 1,70 Metern, da dadurch definitiv kein sicherer Stand im Gelände mehr gegeben ist. Man kann natürlich eine Tieferlegung installieren und etwas mit der allgemeinen Fahrwerksgeometrie spielen, empfehlen würde ich es aber nicht.
Mit einem fahrfertigen Gewicht von 204 KG gehört sie zwar definitiv zu den leichtgewichten unter der direkten Konkurrenz, ist aber natürlich trotzdem deutlich schwerer als kleinere Modelle wie die Honda CRF 250 zum Beispiel. Ich persönlich muss aber sagen, besonders nach meiner "Gewichtsreduzierung" während meiner Reise, wurde es immer besser und auch handlicher. Am Ende kommt es wohl einfach auf die persönliche Präferenz an und auch irgendwo auf die körperlichen Voraussetzungen des Fahrers. Die Kombination aus gut Power und sehr gutem Handling, selbst in kniffligen Situation, haben mich allerdings überzeugt.
Der perfekte Allrounder - mein Fazit
Alles in allem überwiegen für mich allerdings die positiven Aspekte bei weitem die negativen. Die Tenere 700 ist für mich das perfekte Adventure- und Reisemotorrad. Ich bin bereits ADV Bikes und Reiseenduros von Triumph, KTM, Suzuki, Honda und BMW gefahren und würde meine Tenere gegen keine der genannten eintauschen. Es ist das perfekte Bike für den Fahrer, der kompromisslose Zuverlässigkeit erwartet und keine Lust darauf hat sich bei Regen zu Fragen was denn nun der beste Fahrmodi ist. Das perfekte Bike für den, der keine Sitz- und Griffheizung benötigt und gern auch noch selbst schrauben möchte. Die Tenere ist das perfekte Motorrad für jeden, der lieber in jeden Schotterweg einbiegt und jede Offroadpassage mitnimmt statt den ganzen Tag Autobahn zu fahren.
Kurzum: Das perfekte Weltreisemotorrad.
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