Nachdem ich Quetta hinter mir gelassen hatte ging es nach Islamabad um mich dort auf den berühmten Karakorum Highway vorzubereiten.
Die Schinderei der letzten Tage, die hygienischen Verhältnisse und auch eine gewisse körperliche Erschöpfung machte sich bei mir leider bemerkbar, weshalb ich in Islamabad mit einer Magen-Darm Grippe ankam. Durchfall wie Wasser und Magenkrämpfe prägten meinen Aufenthalt hier und nach 4 Tagen ohne Besserung stattete ich dem Krankenhaus einen Besuch ab. Das ist wirklich etwas wo man aufpassen muss, was ich um ehrlich zu sein auch etwas unterschätzt hatte.
„... nach 4 Tagen ohne Besserung stattete ich dem Krankenhaus einen Besuch ab”
Wir Europäer leben hygienisch in einer so großen Blase, dass man gerade in Ländern wie Pakistan direkt Probleme bekommt, weil unser eigenes Immunsystem es absolut nicht mehr gewöhnt ist, mit harten Bedingungen klarzukommen. Das muss nicht einmal unbedingt am Essen oder dem Wasser liegen, sondern eher daran das hier andere Bakterienstämme in der Nahrung zu finden sind. Ebenso gibt es hier andere Schimmelpilze, Bakterien, Sporen und Viren in der Luft die es einfach in Europa bei uns, in dieser Art und Weise, nicht gibt. Allgemein sollte man immer nur zu Flaschenwasser greifen, selbst zum Zähne putzen. Wichtig hier: Darauf zu achten, dass der Verschluss nicht bereits geöffnet wurde. Leider kam es hier sehr oft vor, dass die Händler an der Straße die Flaschen einfach wieder mit Leitungswasser auffüllten und diese so wieder verkauften.
Auf den Tag der Abreise Richtung „Karakorum Highway“ hatte ich mich sehr gefreut. Es war auf meiner Reise von Tag 1 an eines meiner großen Ziele, das berühmte chinesische Tor am Gipfel des „Khunjerab“ zu sehen und ich war nur noch knapp 800 Kilometer von diesem, und damit China, entfernt. Der „Karakorum Highway“ führt von Islamabad quer durch den westlichen Himalaya, vorbei am Nanga Parbat, dem „Killer Berg“ mit einer Höhe von 8126 Metern, der bereits über 60 Bergsteigern das Leben gekostet hat, und schließlich auf knapp 4700 Meter zum höchstgelegenen Grenzübergang der Welt. Die Strecke allein war ein unfassbares Erlebnis für sich, ein Abenteuer was Ich so vorher in Pakistan nicht hatte. Es fällt mir äußerst schwer die Schönheit und die Faszination welche ich im Himalaya verspürte in Worte zu fassen. Es war einfach magisch, diese Region unseres Planeten mit den eigenen Augen zu sehen.
„vorbei am Nanga Parbat, dem Killer Berg "..." der bereits über 60 Bergsteigern das Leben gekostet hat”
Was mir direkt auffiel, waren die massiven Unterschiede in Klima und Landschaft im Vergleich zum Süden. Zugegeben, mein Aufenthalt in Pakistan war von einer historischen Hitzewelle geprägt, weswegen man meine Erfahrung wohl nicht als Standard definieren sollte, trotzdem war es für mich ein absoluter Segen hinaus aus Islamabad, hinaus aus dem Backofen, und hinauf in die Berge zu fahren. Die Temperatur sank sofort um ca. 10 Grad auf „nur“ noch etwas 35°C und wurde auch immer kühler je weiter ich Richtung Norden kam. Man kann quasi dabei zusehen, wie sich das Himalaya Gebirge majestätisch vor einem aufbaut, muss sich allerdings vor Verkehr und Beschaffenheit der Straße in Acht nehmen.
Auch hier war der Verkehr eine absolute Katastrophe. Rücksichtslos und ohne jeglichen Skrupel düsen hier LKWs, Busse, Autos, Motorräder und alles was einen Motor besitzt auf den Straßen ohne Rücksicht auf Verluste. Der „Karakorum Highway“ ist geprägt von Überspülungen, Steinschlägen, Offroad und Schotterpassagen und mitunter auch liegengebliebenen LKWs. Man sollte etwas Offroaderfahrung mitbringen, da es doch häufig vorkommt, dass der Asphalt aufhört und man durch Kniehohes Wasser fahren muss. Ich kam relativ gut voran und schlug mein Lager in Naran auf. Was Kitzbühl oder St. Moritz in Österreich ist, ist Naran in Pakistan. Quasi jedes Haus war ein Hotel, welche selbst für europäische Verhältnisse teuer war. Man kann hier von Ski und Snowboard, über Wandern, Trekkingtouren oder geführte Fahrten mit einem Jeep so ziemlich alles machen wenn man denn das nötige Kleingeld hat.
Ich war absolut fasziniert von der Schönheit, aber auch der gefährlichkeit des Karakorum Highway. Es kam nicht nur einmal vor, dass ich an gewissen Passagen stundenlang warten musste, weil es kurz zuvor Steinschlag mit PKW großen Felsen gab, so dass die Straße vom Militär erst wieder freigeräumt werden musste. Hier hatte ich zum ersten mal gelernt, tatsächlich während dem fahren nicht nur aktiv den Verkehr zu beachten, sondern ebenso an die Berghänge zu schauen. Steinschlag kündigt sich meist mit großen Staubwolken an, noch bevor man überhaupt etwas sieht oder hört. Fangnetze für Steine und Felsen gab es nicht, da diese sowieso nichts bringen bei den riesigen Brocken, die hier ins Tal sausen.
Es war für mich ein absolutes Privileg mein eigenes Motorrad durch diese unbeschreibliche Landschaft zu steuern. Temperatur und allgemein das Wetter besserten sich weiter und mit jedem Kilometer den ich weiter Richtung China zurücklegte, wurde es angenehmer. Nach einem Zwischenstopp in Jaglot, Gilgit und Passu erreicht ich nach 5 Tagen am Karakorum Highway mein Ziel: Den Gipfel des Khunjerab. Ein Traum ging für mich in Erfüllung, etwas, von was ich immer nur gelesen hatte. Ich hatte von diesem Tag lange geträumt, hatte immer nur Bilder gesehen, andere Leute, andere Motorradfahrer die dies vor mir erreicht hatten, und nun war ich es, der vor dem chinesischen Tor war. Da stand ich nun, mit meinen 28 Jahren, von Marienberg aus über die Türkei, Iran und Pakistan mit dem Motorrad bis an die chinesische Grenze gefahren.
Dieser Moment ging mir doch etwas nahe, das Tor zum „Reich der Mitte“ vor sich zu sehen ist ein ganz besonderer Moment, welchen ich in meinem Leben nicht wieder vergessen werde. Hier war die Reise allerdings noch lange nicht vorbei, der nächste Pass wartete schon: Der „Khardung La“ in Leh, Ladakh, Indien. Der höchste befahrbare Pass der Welt auf 5480 Metern. Ich setzte mich auf mein Motorrad, startete den Motor und war bereit für die nächste Etappe meines Abenteuers. Zurück über Islamabad führte mich mein Weg nach Lahore, wo ich die Grenze zu Indien überquerte.
„das Tor zum Reich der Mitte vor sich zu sehen ist ein ganz besonderer Moment"
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